Als Jugendlicher dachte ich, Bier zu brauen wäre unglaublich kompliziert. Ich hatte große Achtung und Respekt vor diesem Handwerk.
Durch die Inhalte meines Biologie-Studiums an der Universität Hohenheim in Stuttgart war ich erst recht fasziniert von der Vorstellung, mein eigenes Bier herzustellen.
Als mir dann auf dem Bibliotheksflohmarkt vor der Mensa zufällig ein Buch zum Heimbrauen für 2,50 € in die Hände fiel, beschloss ich, es einfach auszuprobieren.
Als Student hatte ich natürlich nicht viel Geld zur Verfügung. Deshalb bastelte ich mir meine erste Ausrüstung selbst zusammen, um im Wohnheim der Uni Hohenheim mein erstes eigenes Bier zu brauen.
Nach unserem berufsbedingten Umzug nach Berlin ließ ich meiner Leidenschaft freien Lauf. In der Küche unserer Wohnung entstanden so viele Biersude. An dieser Stelle würde ich nun gerne erzählen, wie fantastisch das erste Bier geschmeckt hat – was aber leider nur die halbe Wahrheit wäre. Eines meiner ersten Biere ist mir komplett eingebrannt, andere hatten einen unbeabsichtigen Nachgeschmack, waren zu süß oder hatten so viel Kohlensäure, dass nach dem Öffnen eine Bier-Fontäne bis zur Decke geschossen kam. Aber es war die Mühe allemal wert und entmutigen ließ ich mich erst recht nicht. Ich konnte endlich die Dinge beobachten und anwenden, über die ich so viel gelesen und studiert hatte: das Wachstum der Hefen, die Unterdrückung von Michsäurebakterien, die Balance der einzelnen Rastzeiten und so vieles mehr. Und nicht zuletzt hatte ich gelernt, dass ich die Maische beim Kochen stärker rühren musste :-).
Ich braute nun immer öfter und feilte an meinen Rezepten. Um Abnehmer für mein Bier brauchte ich mich dabei nicht zu kümmern, davon gab es reichlich. Für meine eigene Hochzeit entwickelte ich dann zum ersten Mal systematisch ein Rezept. Und unser Hochzeitsbier – das heutige Märzen Aufbruch – kam gut an. Unglaublich gut sogar. Die Resonanz von Familie und Freunden war einfach überwältigend. An diesem Abend im Sommer 2013 wurde der Traum von meiner eigenen, handwerklichen Brauerei geboren.
In meiner Brauerei sollten regionale Lebensmittel verwendet und nachhaltig gearbeitet werden. Ich wollte meine privaten Überzeugungen auch bei meiner Arbeit umsetzen, denn immerhin verbringt man einen großen Teil seines Lebens bei der Arbeit. Daher war es mir wichtig, dass mir die Arbeit nicht nur Spaß macht, sondern auch zu meinen eigenen Überzeugungen passt.
Leider schien es zu diesem Zeitpunkt jedoch klar, dass der Traum von der eigenen, handwerklichen Brauerei genau das bleiben würde – ein Traum. Ich hatte eine zukunftssichere, unbefristete Anstellung bei der Tochterfirma eines großen Unternehmens. Eine Sicherheit, die ich für meine Familie und mich einfach nicht aufgeben konnte.
Anfang 2017 kam dann ein einschneidendes Ereignis: mein Arbeitgeber hatte plötzlich angekündigt, sich aus der Branche zurückziehen zu wollen, und wickelte die gesamte Firma ab. Zuerst waren wir alle geschockt – dann extrem verärgert. In was für einer Zeit leben wir, in der sich unbefristete Verträge einfach in Luft auflösen können? Wie kann es sein, dass vermeintliche Sicherheiten von heute auf morgen nichts mehr Wert sind?
Nach Schock und Ärger kam die Frage nach der Zukunft – wie sollte es weitergehen? Wollten wir es vielleicht tatsächlich wagen, eine Craft Bier Brauerei zu eröffnen? Wenn nicht jetzt, wann dann? Da der Plan es zumindest bis in die engere Auswahl schaffte, machte ich ein Praktikum bei Brewbaker, einer großartigen Craft Bier Brauerei in Berlin. Wie sich herausstellte, war dies die goldrichtige Entscheidung und eine tolle Erfahrung, die mich endgültig überzeugte.
Ja, ich wollte eine handwerkliche Brauerei gründen – ich wollte Bier brauen! Warum? Weil es für mich all das verbindet, was ich gerne mache. Als Biologe kann ich die natürlichen, biologischen Prozesse für die Herstellung meiner Biere nutzen und lenken. Ich kann weiter lernen und forschen, ausprobieren und pro-Bieren, die Region und die Nachhaltigkeit fördern und natürlich gutes, qualitativ hochwertiges Bier brauen. Alles, was mir jetzt noch fehlte, war ein geeigneter Standort, die nötige Ausrüstung, ein ordentlicher Batzen Startkapital und viel Zeit und Durchhaltevermögen...